Der Wald ist ein vielfältiger Lebensraum für Tiere, Pflanzen, Pilze und auch Menschen. Die grössten Lebewesen sind jedoch die Bäume und die kleinsten sind Mikroorganismen im Boden. Das Zusammenleben in diesem Ökosystem wird vor allem durch Licht, Feuchtigkeit und Temperatur bestimmt. Jedes Lebewesen hat seine Ansprüche und gedeiht am besten, wenn diese im Optimum erfüllt sind.
Ist es im Winter im Wald wärmer?
Kälte ist eine Empfindung der Warmblüter. Sie wird dann verspürt, wenn die Umgebungstemperatur deutlich tiefer ist, als die Körpertemperatur. Wird die Umgebungsluft dazu noch etwas bewegt – es windet – dann reden Experten vom Windchill-Effekt. Gefühlt ist dann die Kälte noch grösser. Grund dazu ist, dass der Lufthauch das feine Wärmepolster fortnimmt, welches als Abwärme auf unserer Haut «lagert».
Während im Sommer die Temperaturunterschiede vom Freiland zum Waldesinnern sehr gross sind, liegen die Kältegrade im Winter nahe beieinander. Trotzdem verspüren wir bei einem Waldspaziergang oft einen deutlichen Unterschied. Das hat verschiedene Gründe, welche sich kumulieren:
- Der nicht gefrorene Boden gibt fortwährend etwas Wärme ab, die aus dem Unterboden aufsteigt. Das kann in Bodennähe zwei bis drei Grad ausmachen.
- Die Bäume und das Unterholz schaffen eine windstille Umgebung, welche wir als weniger kalt empfinden, als zuvor ausserhalb des Waldes.
- Wir haben uns warm angezogen und sind zu Fuss unterwegs. Der Körper ist in Bewegung, was unsere eigene Wärme erzeugt.
- Die Geräusche sind gedämpft, die Luft frisch und eine ruhige, friedliche Atmosphäre umgibt uns. Wenn der Wald dazu noch verschneit ist, fühlen wir uns auch emotional gut.
Was tun Pflanzen und Tiere im Winterwald?
Der Herbst gibt den Lebewesen im Wald durch kürzer und kühler werdende Tage Signale, dass es nun Zeit ist, das Wachstum abzuschliessen. Die Zugvögel fliegen Richtung Süden. Bei Bäumen und Sträuchern verholzen die den Sommer über gewachsenen Äste und Jahrringe. Der Winter kann kommen.
Sicher ist der Dezember und der Jahresbeginn 2025 noch gut in Erinnerung. Meistens lag die Temperatur um den Gefrierpunkt. Viele Tiere haben sich Fettreserven zugelegt oder ein dickeres Winterfell. Laubtragende Pflanzen werfen dieses im Herbst ab – es würde erfrieren. Das ermöglicht vielen Lebewesen isolierenden Unterschlupf und Nahrung. Die in Blättern enthaltenen Nährstoffe gelangen so wieder in den Kreislauf der Natur. Immergrüne Pflanzen, wie die Stechpalme und fast alle Nadelbäume, sind bis viele Minusgrade durch eine Wachsschicht und eingelagerte, zuckerhaltige Stoffe vor dem Erfrieren geschützt.
Die Winterruhe ist eingekehrt, ein Wachstum findet nicht mehr statt. Diese Pause ist für die Natur enorm wichtig. Es wird Energie gespart und eine Art Regeneration findet statt. Bleiben die Temperaturen den ganzen Tag unter dem Gefrierpunkt, reden wir von Frosttagen. Um Tage verzögert gefriert der Boden auch im Wald. Anders als im hohen Norden, ist bei uns die maximale Frosttiefe im Wald lediglich bei etwa 30 cm. Während der Wurzelhorizont bei den Fichten (Rottannen) je nach Boden bei 50 bis 70 cm Tiefe liegt, können Föhre, Lärche oder Eiche bis 6 Meter und tiefer wurzeln. Ein durchgefrorener Boden kann den Waldbäumen demnach keinen Schaden zufügen. Liegt zudem eine Schneedecke auf dem Waldboden, gefriert er überhaupt nicht, denn loser Schnee isoliert hervorragend.
Anders verhält es sich im Hausgarten. Diese Böden gefrieren ob der exponierten Lage schneller und tiefer. Intensiv besonnt, benötigen hier die immergrünen Pflanzen auch im Winter ab und zu eine Wassergabe, da sie sonst gefriertrocknen.
Die Wintersonne hat für Waldbäume normalerweise zu wenig Kraft, um sie zu «wecken». Steigen jedoch im Januar die Tagestemperaturen in den zweistelligen Bereich und bleiben auch in der Nacht über Null, sind das falsche Signale. Dauern diese Verhältnisse während einer Woche an, kann es für die Bäume gefährlich werden. Das Wurzelsystem wird aktiviert und der Saftstrom beginnt im Stamm aufzusteigen. Wenn nun ein Kälteeinbruch die Temperaturen wieder in den Keller schickt, gefriert das Wasser im Stamm, was zu Frostrissen im Holz führt. Ist der Saft schon in den Ästen angelangt, droht der Erfrierungstod.
Wenn die Tage wieder deutlich länger werden, was so ab Mitte Februar der Fall ist, beginnt tief im Waldboden drin bereits das Wurzelwachstum, obwohl an der Oberfläche noch tiefer Winter herrschen kann. Die Wurzeln beginnen millimeterweise in die Länge zu wachsen, um neue Nährstoff- oder Wasservorkommen zu erschliessen. Die Natur bereitet sich schon auf den Frühling vor, während wir uns noch in den Bergen auf den Pisten vergnügen. Einige Wochen später erleben wir dann unseren Frühling, mit dem hellen Grün der frischen Blätter und den Blüten der Frühblüher.
Text und Fotos : Ruedi Weilenmann